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Haus und Räume

Gisela Recke-Erkelenz, lic. phil. I

In die Zeit der Gründung des Psychologischen Clubs fällt C.G.Jungs Entwicklung einer eigenen Psychologie, nachdem er sich mit seinem Werk „Wandlungen und Symbole der Libido“ (1912) von Sigmund Freuds Auffassung des Seelischen getrennt hatte.

Wie wichtig in dieser experimentellen, schöpferischen Zeit die Gemeinschaft mit ihm zugewandten Menschen und damit auch ein konkreter Raum als Begegnungsstätte war, lässt sich heute kaum mehr ermessen. Der Club stellte den Raum für die Pflege der Gemeinschaft und die Auseinandersetzung mit den neuen Forschungsinhalten zur Verfügung.

Vor der Gründung des Psychologischen Clubs bestand bereits seit 1913 ein „Psychoanalytischer Verein“, der sich zunächst im Restaurant Seidenhof in Zürich traf. Jeweils am Donnerstag fanden bis Ende Januar 1916 dort die Sitzungen statt.

Fruehling

Am 11. Januar 1916 konnte eine Liegenschaft an der Löwenstrasse 1 gemietet werden, die von Mr. und Mrs. McCormick-Rockefeller grosszügig finanziert wurde. Am 26. Februar 1916 wurde dort der Psychologische Club gegründet. In den herrschaftlichen Räumen hielten Jung und die Mitglieder des Psychologischen Clubs Vorlesungen.  So stellte Jung seine noch nicht erschienene „Typologie“ vor und gab Seminare. Übernachtungsmöglichkeiten waren vorhanden und eine Köchin verpflegte die Gäste. Doch nach einem Besitzerwechsel wurden die Räume gekündigt.

Cormick Rockefeller

Mrs. Edith McCormick-Rockefeller
 

Auf der Suchwanderung nach einer festen Bleibe für den Club beschlossen 30 Mitglieder am 21. Januar 1918 den Ankauf der Liegenschaft an der Gemeindestrasse 27. Jung empfing Patienten in einem Raum der Clubetage. Dieser Praxisraum ist heute noch erhalten. Es gab Vorträge, gesellige Anlässe wie Damen- und Herrenabende wurden angeboten, auch Reisen (einmal sogar nach Ägypten) und Besichtigungen.

Anfang 1947 kamen im Club Überlegungen auf, ein Lehrinstitut zu gründen, da C.G. Jung keine neuen Kandidaten mehr übernahm. Nach einigen Diskussionen, wie das zunehmende Interesse an der komplexen Psychologie bewältigt werden könnte, wurde am 24. 4. 1948 das C.G. Jung Institut gegründet. Die für die Seminare und Vorlesungen  benötigten Räume verlegte man in den 1. Stock des Clubhauses, unter Mitbenützung der Club-Bibliothek und gewisser Club-Räume. Ab 1980 übersiedelte das C.G. Jung Institut dann nach Küsnacht und verliess das Clubhaus nach und nach ganz.

Die bewegte Clubgeschichte zeigt uns, dass der konkrete Raum stets eng mit dem geistigen Austausch unter den Mitgliedern verwoben war und ist. Heimat war ursprünglich ein Stück Grund und Boden, das man kaufen, besitzen und bewirtschaften konnte. So hat die Jungsche Psychologie mit dem Einzug und Verbleib im jetzigen Haus ein materielles Gefäss gefunden, in welchem sie sich entfalten kann. Geistige Heimat ist auch sinnliche Erfahrung: Gesichter, Räume, Gerüche, Geräusche. So entstand mit den Jahren eine Stimmung von Vertrautheit, die eng an den Ort gebunden ist. Der Club als geistiger und realer Raum gibt dem Haus einen unverwechselbaren Wert.

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Wie sieht das Leben im Clubhaus heute aus? Der Vortragsaal wird für die zweiwöchentlichen öffentlichen Vorträge genutzt, aber auch an zugewandte Personen oder Organisationen vermietet. Bibliothek und Archiv werden von Fachpersonen betreut. Sie stehen Interessierten und Forschenden zur Verfügung. Mehrmals jährlich tagt hier der Vorstand. Drei Wohnungen sind an Privatpersonen vermietet. In mehreren Therapieräumen wird therapeutisch gearbeitet. Eine moderne Küche dient der kulinarischen Bewirtung an den Clubabenden. Im ausgebauten Keller befinden sich das Archiv des Clubs sowie zwei Gruppenräume. Ein kleines Gärtchen mit Weinreben und einer alten Linde umgibt das Haus.

Immer wieder besuchen Einzelne und Gruppen aus dem In- und Ausland diese Ursprungsstätte der Jungschen Psychologie. Oft erleben wir dabei, wie sehr sich die Menschen von der Ausstrahlung und der Tradition der Räume angesprochen fühlen.

Stickerei von Rosa Gerber, „Bergpredigt“, Geschenk der Club-Mitglieder
an C.G. Jung zu seinem 60. Geburtstag 1935

Aufsatz von Professor C.G. Jung

Die Wiedergabe eines kurzen Vortrags des grossen Zürcher Psychologen C.G. Jung (der den Wandteppich zu seinem siebzigsten Geburtstag vom Psychologischen Club geschenkt erhalten hat) wendet sich an psychologisch interessierte Erwachsene. C.G. Jung weist in dieser Darstellung vor allem auf die Bezüge und Gestaltungen hin, die er als Ausdruck des kollektiven Unbewussten der Schöpferin des Teppichs betrachtet.

Der Teppich lässt sich der Länge nach in 4 und der Breite nach in 3 Teile einteilen. Erstere Teilung entspricht, wie auch die Auswahl der Farben andeutet, der Vierzahl der Elemente: zuunterst Wasser, dann Erde, darauf Luft und schliesslich Feuer und Licht. Diese Stufenleiter ist zugleich Symbol des «geistlichen Wachstums» oder der Wandlung: Die Menschen steigen vom Meere herauf und empfangen auf der zweiten Stufe leibliche Nahrung (Speisung der 5000), auf der dritten die geistliche Speise (Bergpredigt), und auf der vierten Stufe findet die Apotheose statt (Berg der Verklärung). Letztere koinzidiert mit ♋︎, das heisst mit dem Sommersolstitium, wie dies auch im Mithrasmysterium der Fall ist. Dort fällt das Steinopfer, aus dem Fruchtbarkeit und Nahrung hervorgeht, ebenfalls auf das Sommersolstitium (Heddernheimer Altar). Die Gottesgestalt auf dem Berge ist von 2 Akoluthen, das heisst diensttuenden Engeln, eingerahmt wie Mithras von den beiden Dadophoren (fackeltragenden Eroten). Hier wie im Mithraskult (und in den Conjunctions-Symbolen der Alchemie) findet sich die Gottheit zwischen Sonne und Mond, gewissermassen als Sohn der himmlischen Eltern. Das Novilunium, das heisst die Annäherung von Sonne und Mond, bedeutet den Hierosgamos, das conubium solis et lunae.

Die Einteilung der Breite nach ergibt 3 Abschnitte, wie schon erwähnt. Der mittlere Teil ist charakterisiert durch Dreiheiten und Einheiten: Gott (Einheit) mit 2 Engeln (Dreiheit), derselbe mit Sonne und Mond, 3 Palmen, Christus (als Einheit), ein Laubbaum, 3 Hütten, ein Schiff, ein kleiner Fisch (= Christus)! Das Schiff deutet traditionell auf die Kirche, der Mast auf das Kreuz (Antenna crucis).

Die beiden Seitenabschnitte sind charakterisiert durch Zweiheiten respektive Vierheiten: je 2 Gesetzestafeln, je 2 Hütten, je 2 Bäume, je 2 Hügel, je 2 Palmen, zwei Kreuzbäume und schliesslich je zwei Fische, von denen sich drei nach links bewegen, einer aber nach rechts (das Problem des Timaios respektive der Maria Prophetissa).

Die Bergpredigt ist die geistige Speisung, und die Apotheose (Epiphanie oder Verklärung) findet statt in einem U-förmigen Raume (beziehungsweise Gefäss), gebildet von 4 Quaternitäten (4 Tafeln, Hütten, Bäume und Hügel). Die leibliche Speisung bildet als viertes den Gipfel von zwei Dreiheiten (3 Hütten, 3 Hügel).

Die Mitte des Ganzen wird von einem Laubbaum gebildet. Diesem entspricht der darüber sitzende Christus. Der Baum steht unmittelbar oberhalb der 3 Hütten. Christus sitzt unterhalb der 3 Palmen. Der Laubbaum (Paradies!) beherrscht die Speisung der 5000, die 3 Palmen (Trinität) sind bei der geistlichen Ernährung zugegen. Diese 4 (3 + 1) Bäume haben also insofern mit Christus zu tun, als die eine wie die andere wunderbare Speise von Christus ausgeht (Brot und Hostie).

Eine merkwürdige Entsprechung zu den oberen 2 Triaden (göttliche Dreiheit und 3 Palmen) bilden die 2 unteren Triaden (3 Hütten, 3 Kreuzbäume). Fast in der Mitte unter dem Schiff findet sich der kleinste, fünfte Fisch als Entsprechung zu Christus oder Gott oben, welcher den fünften (Quintessenz) zu den 4 Quaternitäten darstellt.

Der Teppich enthält eine so grosse Anzahl von archetypischen Gestaltungen und Beziehungen, dass eine sehr starke Mitbeteiligung des kollektiven Unbewussten wahrscheinlich ist. Den archetypischen Einflüssen verdankt das Bild seine Architektonik sowohl wie seinen ahnungsvollen Bedeutungshintergrund. Die Zahlensymbole mit ihren Trinitäten und Quaternitäten scheinen in naher Beziehung zur hermetischen Philosophie zu stehen, obschon ein solcher Zusammenhang im Bewusstsein der Künstlerin nicht bestehen kann. Die im Teppich zum Ausdruck gelangenden Inhalte dürften nicht nur etwas von der bemerkenswerten Auswahl der Farben, sondern auch die Andacht und Geduld der Schöpferin des Werkes erklären: Das Bild hat den Wert einer Offenbarung oder, besser, einer Neugestaltung traditioneller religiöser Vorstellungen in einer Form, die dem Wesen der mittelalterlichen Naturphilosophie und damit der Struktur des Unbewussten entspricht.

Mit Erlaubnis der Erben C. G. Jung 

Aus: Die Bergpredigt. Kindern in Bildern erzählt von Magdalena Rüetschi nach einem Wandteppich von Rosa Gerber, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 1988, Seite 30-31.
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