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Veranstaltungen

Veranstaltungen HERBST 2024

Für die Teilnahme per Zoom ist eine Anmeldung erforderlich an:
(Mitglieder und stat. Gäste müssen sich nicht anmelden; sie erhalten den Zoom-Link zugestellt).

Der Eintrittspreis ist derselbe wie für die Veranstaltung vor Ort.
Die Vorlesungen sind öffentlich. Jedermann ist willkommen.
Ort: Vortragssaal, Gemeindestrasse 27, 8032 Zürich.

Die Vorträge dauern zwischen 1 ¼ - 1 ½ Stunden.

Bitte beachten Sie: Es besteht die Möglichkeit, ein Jahresabonnement zum Preis von Fr. 300 zu erwerben. Es ist gültig von September 2024 – Juni 2025.


Themenschwerpunkt: Angewandte Jungsche Psychologie

Wenn wir das Herbst-Programm 2024 unter das Motto «Angewandte Jungsche Psychologie» stellen, so möchten wir nicht nur an den Begriff «Anwendung» im Gegensatz zu «Theorie» denken, denn die Anwendung der Jungschen Psychologie betrifft, in einem weiteren Sinn verstanden, das symbolische Verständnis der Dinge. 

Ein uns faszinierender Stoff, sei es ein Ritual, ein Mythos, ein mathematisches Gesetz, gemalte oder gedichtete Bilder, und nicht zuletzt historische Fakten werden umfassender und bedeutsamer, wenn wir ihren symbolischen Gehalt erforschen. Die symbolische Auffassung des faszinierenden Stoffes, der etwas psychisch Lebendiges ist, macht eine ganz neue Qualität sichtbar oder ermöglicht gar eine neue Sicht auf die Welt. Sehen wir hingegen die natürlichen Dinge und die alltäglichen Ereignisse nur von aussen – nur als figures and facts, nur als messbare Fakten –, werden wir ihnen im Grunde nicht gerecht. Denn sie sind eigentlich immer «mehr». Deshalb versuchen wir in allem, auch durchaus Konkretem immer auch das Symbolische zu erkennen, als eine Manifestation von etwas viel Grösserem.

Oftmals geschieht in einer Analyse das Entscheidende, wenn die offensichtlichen und bekannten Tatsachen, an denen jemand leidet, eines Tages als Symbole verstanden werden, das heisst wenn die Jungsche Psychologie angewandt wird. Denn als Symbole verstanden, können Symptome auf etwas Dahinterliegendes und auf eine sinnvermittelnde Dimension hinweisen. Weil wir aber die Bedeutung von Symbolen oft nicht so leicht begreifen können, hat C.G. Jung vorgeschlagen, sie so lange mit weiteren unbewussten Manifestationen anzureichern, sie zu umkreisen, bis sich ein individuell fassbarer Sinn aus dem Symbol selbst herauskristallisiert.

So gesehen sind auch die Referate des Psychologischen Clubs als ein ständiges Umkreisen der Geheimnisse der Seele zu verstehen, oder eben als Anwendungen der Jungschen Psychologie. 

Inácio Cunha, Jungscher Analytiker in Brasilien, hält seinen Vortrag auf Englisch. Seine ethnologische Forschung macht uns bekannt mit den Tupinambá, einem der indigenen Stämme Brasiliens. Auf den ersten Blick mag uns ihr kriegerisches Wesen befremden, und ganz bestimmt der von ihnen praktizierte Kannibalismus. Dank des symbolischen Verständnisses, der Optik der Jungschen Psychologie, gelangt Inácio Cunha zur faszinierenden Hypothese, dass sowohl Krieg als auch die kannibalistischen Rituale im Grunde der Herstellung eines Lebens im Jenseits dienen. Diese gleicht der Idee eines «Ewigen Leibes», wie wir manchmal in Anlehnung an den alchemistischen Prozess sagen, und ein Synonym des Philosophischen Steines ist beziehungsweise die oft lebenslange Auseinandersetzung mit dem Selbst bezeichnet.

Angela Nold-Graf, Psychologie- und Psychotherapie-Historikerin, spricht über C.G. Jungs Vorlesungen an der ETH; sie stellt aber hier nicht den psychologischen Inhalt in den Mittelpunkt, sondern Jungs persönliche Auseinandersetzungen mit dem konkreten Umfeld in den Jahren 1933-1942. 

Martin Huber ist Mathematiker und erläutert zuerst die Geschichte der Symmetrie anhand der Architektur der Antike und der Renaissance. Der Begriff der Symmetrie wurde später im Rahmen der Mathematik und der Naturwissenschaften weiterentwickelt, wovon der Referent einige Beispiele geben wird, um dann Symmetrien in der Kunst des 20. Jahrhunderts, insbesondere bei den Avantgardisten der 30er-Jahre, wiederzufinden. Symmetrie als Ausdruck von Harmonie von Proportionen kann in der anschliessenden Diskussion weiter vertieft werden.

Jody Schlatter ist von den Bildern der kanadischen Malerin Emily Carr berührt und begeistert. Sie stellt uns zuerst die Künstlerin vor und zeichnet deren Weg einer religiösen Suche nach. Sie vertieft sich dann in die Symbolik der Bilder von Emily Carr und zeigt, wie sich darin Geist und Seele der wilden Westküste Kanadas verbinden. 

Ruedi Högger bringt als Gast Yulia Lymar mit. Die beiden lesen und besprechen Texte und Gedichte von Wasyl Symonenko, einem Angehörigen der ukrainischen Widerstandsbewegung in den 1960er-Jahren. Die Präsentation thematisiert nicht nur die damalige und die gegenwärtige politische Situation in der Ukraine, sondern versucht auch, Symonenkos Motiv der «heiligen Hochzeit» in unserer eigenen heutigen Wirklichkeit zu verstehen.

Ursula Stüssi hat drei Erzählungen des mittelalterlichen Dichters Robert de Boron untersucht. In diesen drei literarischen Werken sind mythologische Berichte und Motive verwoben, deren tiefe Bedeutung sie uns zugänglich macht, indem auch sie das Wissen der Jungschen Psychologie anwendet. Robert de Boron hat anscheinend Triebkräfte beschrieben, die vom Unbewussten initiiert worden sind, aber ins damalige Gottesbild noch nicht aufgenommen werden konnten.

Wir glauben, dass bei den Präsentationen im Psychologischen Club zum Interesse der einzelnen Vortragenden an einem bestimmten Thema noch das symbolische Verstehen dazukommt, so dass der Geist des Unbewussten über das blosse Bild oder Ereignis hinausgreift und uns als Zuhörer belebt.

Nun wird die Jungsche Psychologie manchmal auch ganz unbewusst angewandt, sodass von symbolischem Verstehen eigentlich kaum die Rede sein kann. Aber Menschen, die in unermüdlicher Hingabe das gestalten, was «von innen her sein muss», wenden im Grunde ebenfalls etwas an, das Jung sehr wichtig gewesen ist, nämlich sie geben einem schöpferischen Drang in ihrem Leben Zeit und Raum. Ein solches Beispiel ist Rosa Gerber, die Stickerin des Bildteppichs «Bergpredigt», der im Vortragsraum des Psychologischen Clubs aufgehängt ist. Die junge Frau verspürte einen Drang, aus sich selbst, «ganz aus dem Eigenen eine schöne grosse Arbeit zu machen». Jahrelang hat sie am Teppich gestickt und ihn innerlich mit sich herumgetragen, denn es war, «wie wenn er ihr ganzes Inwendiges befehlen würde». 

Dr. Ernst Laur, seinerzeit Leiter des Schweizerischen Heimatwerkes, hat dankenswerterweise aufgeschrieben, was ihm Rosa Gerber über die Entstehung des «Bergpredigt»-Teppichs erzählt hat. Wir halten dieses Dokument für so berührend, dass wir es hier in der ganzen Länge abdrucken wollen.

Juli 2024, Irene Gerber

 

Die Bergpredigt – Teppich von Rosa Gerber

ERNST LAUR, Heimatwerk: Blätter für Volkskunst und Handwerk, Dezember 1944, Zürich.
Signatur: Psychologischer Club, B 1383.

Es geschehen noch wundersame Dinge in unserem Land. Kam da unlängst eine einfache blonde Frau in meine Stube mich zu fragen, ob sie mir einen Bildteppich, den sie in jahrelanger Arbeit gestickt habe, zeigen dürfe. Wer das Heimatwerk leitet, ist vom Schicksal dazu bestimmt, unter anderem auch gestickte Bilder anschauen zu müssen. Eben war ein Soldat, ein Festungswächter vom St. Gotthard, dagewesen, der in den einsamen Stunden seiner Freizeit den Trompeter von Säckingen, wie er durch den Wald reitend sein Lied zum minniglichen Schloss emporschickt, alles auf dunkel-blauem Sammetgrund gestickt hatte. Zum Weinen schön! Und nun steht die Frau vor mir, scheu und etwas linkisch, mit sonderbar schwimmenden blauen Augen und hält ihr Paket unter dem Arm. Ihr Bild stelle die Berg-predigt dar und sie habe es eigentlich für sich selbst gestickt. Doch ihr Mann sei Handlanger und müsse täglich in Schmutz und nassem Boden schaffen; das brauche Schuhe, Hosen, Strümpfe und jetzt seien auch zwei kleine Kinder da. Darum habe sie sich entschlossen, ihren Teppich zu verkaufen. In ihren Worten klang ein ungewohnter Ton. So bat ich sie, ihr Bündeli zu öffnen, hoffend, dass diesmal wenigstens etwas wahrhaft Schönes zum Vorschein komme.

Und fürwahr entrollte sich vor meinen Augen ein Bild voll satter Farbenpracht, eine vom dunkelblauen Meer durch Wald und Berge bis zum Himmel aufsteigende Landschaft, angefüllt von einem bunten Gewimmel aufwärts ziehender Menschen, zuoberst auf goldener Kuppe, wo die Welt und die Ewigkeit sich berühren, sitzt Jesus und erläutert die 10 Gebote, die auf übergroßen grauen Tafeln zu seinen Seiten aufgerichtet stehen, derweilen Petrus mit zwei Engeln die Pforte des Paradieses hütet und über ihm Sonne und Mond und die Sinnbilder des Tierkreises ihren Bogen ziehen. Eine Schilderei von Natur, menschlichem Leben und tiefem geistigen Sinn, wie man sie in frömmeren Zeiten in Klöstern geschaffen hat. Vor mir aber steht die stille Frau des Handlangers und sagt, dass das Bild das Werk ihrer Hände sei, weil auch sie im Leben etwas ganz Schönes haben wollte.

Ich bat die Unbekannte, mir zu erzählen: von ihrem Leben, von ihrer Arbeit und vom Sinn ihres Bildwerkes. Willig tat sie es, derweilen mein Stift leise über das weiße Blatt glitt und ihren Worten folgte, die ich hier wiedergebe.

«Ich war ein armes Kind; meine Mutter war Heimarbeiterin und, weil sie wollte, dass ich es einmal besser haben möchte, gab sie mich einem Maschinensticker in die Lehre. Da musste ich jahraus jahrein mit dem Hebel der Maschine toten Formen nachfahren, derweilen die vom Motor getriebene Nadel neben mir wie wild in den Stoff pickte. Wenn ich dort hätte verbleiben müssen, wäre ich längst gestorben. Doch am Abend durfte ich für ein Haus, das für kunstverständige Frauen schöne Handarbeiten anfertigt, Botengänge tun und wagte schließlich die Bitte, ob auch ich mich am einen oder anderen Stück versuchen dürfte. Da es mir gut gelang, nahm man mich als heimarbeitende Stickerin an. Ich blieb es bis zum heutigen Tag. Hunderte schöner Arbeiten habe ich ausgeführt, und habe an ihnen gelernt; doch immer waren es andere, die sie erfunden und gezeichnet hatten. Wenn ich aber vom Morgen bis Abend am Rahmen saß und stichelte, spürte ich, wie es in mir trieb und drängte, einmal aus mir selber, ganz aus dem Eigenen, eine schöne große Arbeit zu machen, die nachher mir gehören sollte und keinem Fremden.

So nahm ich eines Tages die große ‹Blätztrucke› [Stoffschachtel] aus dem Kasten und legte Stück für Stück vor mich auf den Stubenboden. Neuen Stoff zu kaufen hätte ich damals nicht vermocht. Rote, gelbe, blaue, grüne Schnäfel [Stoffabschnitte] waren es, kunterbunt durcheinander. Doch wie ich sie so betrachtete, sah ich auf einmal ein Kirchenfenster in seinem ersten Anfang, und schon hatte es mich gepackt. Stundenlang versuchte ich, die Farbstücke schön zusammenzufügen, störende herauszunehmen, sich anziehende zusammenzubringen. Es war wie ein Fieber und als es schließlich Ruhe gab in dem Farbenspiel, war ich vor Glück und Bedrängnis so er-schöpft, dass ich mich kaum mehr aufrecht halten konnte. Nach einer Weile trat ich wieder vor mein ‹Kirchenfenster›, das wie ein leuchtender Teppich immer noch auf dem Stubenboden lag. Da sah ich, wie die bunten Flecken anfingen zusammenzuwachsen zu einer großen Landschaft. Unten das dunkle Blaue, das war das Meer, das Braune die Äcker und Wege, das Grün die Wiesen und Wälder und das helle Goldene in der Höhe, das musste der sonnige Himmel sein und der Anfang des Paradieses. Und schon fiel mir die Bergpredigt ein und sah ich den Heiland im Glanze sitzen und sah die Menschen, wie sie vom Meere her durch das weite Land hinaufzogen bis auf den obersten Berg, um sich zu seinen Füßen zu setzen und der Verkündung der Gebote zu lauschen.

Es sind etliche Jahre, her, seit ich solchermaßen erleuchtet wurde, und bald war das Bild wieder erloschen. Aber ich wusste, was ich zu tun hatte. So begann ich den Teppich zusammenzunähen, – einhundertzweiundvierzig Stoffresten sind es gewesen – bis ich sah, dass er die ganze Welt, vom Meere bis in den Himmel tragen konnte. Und dann fing ich mit dem Sticken an, an allen vier Ecken zugleich und auch mitten in den Feldern. Denn so etwas kann man nicht machen wie einen Strickstrumpf, wo man oben beginnt und Gang um Gang vorwärtsmäschlet [vorwärtsstrickt], bis man von selbst bei der Zehenspitze anlangt und der Strumpf einem fertig aus der Hand fällt.

Ich kann es schwer beschreiben! Aber Jahre lang habe ich den Teppich mit mir herumgetragen, es war, wie wenn er mein ganzes Inwendiges befehle. Doch in die Hände nehmen durfte ich ihn nur, wenn die verdiente Arbeit getan und das tägliche Brot im Korbe lag. Aber auch dann konnte ich nur schaffen, wenn ich in der Klarheit war. Da kann man nicht einfach sagen: jetzt sticke ich noch zwei Stunden an der Bergpredigt! Was wollte ich mit der Nadel anfangen, wenn ich ‹es› nicht sah, wenn ich es nicht mit den inwendigen Augen erfasst hatte. Denn zeichnen und malen kann ich nicht, ich musste alles aus der Eingebung und ohne solche Hilfen fertigbringen.

Aber am Morgen, wenn ich noch mit geschlossenen Augen im Bette lag, konnte ich es oft erfassen. Da sah ich bald diesen, bald jenen Teil. Manchmal waren es ein paar Menschen, die gingen, ich sah ihre Bewegungen, sah ihre Kleider, sah die Farben. Oder ich sah einen Apostel, der unterwegs Brot austeilte. Oder es fiel mir ein, dass eine Frau Durst hatte und ich sah die Quelle unter dem Palmenbaum, zu der sie sich neigte. Oder ich erblick-te die Krieger, die vom Meere herkamen, und weil es für sie Abend war, und sie nicht mehr bis zum Gipfel des Berges hätten gehen können, sah ich die Zelte, in denen sie die Nacht zubringen konnten. Und wenn ich dann aufstand, um noch in der Frühe das Geschaute zu beginnen, so konnte es sein, dass Alles schon erloschen war, bis ich auf meinem Stühlchen saß. Nur wenn es in mir blieb ‹wie ein Duft›, konnte ich es behalten und es mir wieder vor die Augen stellen, derweilen ich die Nadel führte. Und man muss lange sehend sein, denn wie viele Stiche braucht es für ein einziges Mannli!

Auch die Farben sind mir inwendig eingegeben worden oder dann sah ich sie ungesucht in der Natur. Wenn wir am Sonntag durch die Matten gingen – ich war scheinbar bei den andern und mein Mund redete dies und das –, wurden meine Augen plötzlich angezogen von einem Farbenspiel, das ich nicht loswerden konnte. Aber die Farben, die man in sich hat und die Farben in den Garnhandlungen sind meistens nicht dieselben. Ich glaube, dass es in mir hunderterlei verschiedene Blau gibt. Aber wie sollte ich sie beschreiben? Wie oft bin ich wegen eines einzigen Fadens in ein Geschäft gegangen und habe gesucht und gesucht und nicht gefunden und wenn ich wieder ging, spürte ich, dass das nette Fräulein dachte, ich sei nicht recht im Kopf.

Aber in meiner Stube und in den guten Stunden war ich glücklich, so glücklich wie ich es keinem Menschen sagen kann. Da saß ich in meinem Winkel, hatte die Welt und alles was rings herum rumorte vergessen. Wenn ich in der Klarheit war, konnte nichts mich stören und nichts mich von mir selber wegreissen. Aber wenn es dann erlosch, war ich so leer und müde, dass ich kaum mehr zu den Hausgeschäften fähig war.

Schaut man den Teppich heute an, ist von den ‹Blätzen› [Stoffstücken] nicht mehr viel zu sehen. Ich habe sie im Laufe der Zeit so sehr mit andern Fäden durchwirkt, dass sie nur noch durchschimmern wie farbige Schatten. Es gab auch manches, das ich zuerst falsch machte. Ich wusste nicht warum, aber ich empfand es. Da musste ich dann oft stundenlang die ungute Stelle anschauen, bis die Augen und der Kopf mir weh taten – und fand doch nicht, wo es fehle. Bis es mir, vielleicht beim Betten oder Suppenkochen, plötzlich von innen aufstieg. So halte ich die Gestalten des Tierkreises – ich habe sie in einem Kalender gefunden – zuerst in ihren natürlichen Farben gestickt. Es ging lange, bis ich wusste, dass sie damit, obwohl sie im Himmelsbogen schwebten, irdische Tiere blieben. Da trennte ich sie auf und gab allen lichte blaue Körper; jetzt stehen sie richtig in der Ewigkeit, wo ihre Wohnung ist.

Eines Tages spürte ich, dass die Arbeit fertig sei. Alles war darin, was ich wusste, und es fiel mir nichts mehr ein. Der Teppich hörte auf, mich zu regieren. Er hing dort, und ich war da. Von dieser Stunde an konnte ich ihn auch andern Leuten zeigen, während ich ihn bis dahin vor fremden Augen ängstlich verborgen hielt. Und jetzt kann ich ihn sogar verkaufen, meinem Mann zuliebe und den Kindern. Vielleicht deshalb, weil ich jetzt für meine Kleinen mit farbigen Blätzen Wandbilder zusammennähe und ihnen Märchengeschichten darauf sticke. Das tut nicht mehr so weh; es ist eine heitere Freude. Wenn man Frau und Mutter wird, ändert sich von selber manches in der Seele; die Bergpredigt habe ich gestickt, als ich noch allein war.»

So hat mir die Frau erzählt in der dämmernden Stube. Ich habe gelauscht und dabei empfunden, dass ich wie durch ein Fenster in das Geheimnis des schöpferischen Menschenwesens habe blicken dürfen.

Auf die Weihnachtszeit hin hängt die «Bergpredigt» im Heimethuus, damit alle, die diesen Bericht lesen, sie sehen können; vielleicht auch der Eine, der sie zur Bereicherung seines Lebens nach Hause tragen wird. E. L.

Programmübersicht

 

    

When the Europeans arrived in what is now Brazil in 1500, two aspects of the indigenous culture impressed them the most: the inclination for an unusual type of war and the relentless anthropophagic urge displayed by the naked, colored, and feathered inhabitants of that tropical land — the Tupinambá.

Instead of making war to obtain goods, power, or geopolitical dominance, the indigenous fought ferociously, relentlessly, and constantly against their enemies solely for the purpose of obtaining prisoners who would become victims in their cannibalistic rituals. 

According to various sources, it has been assumed that the perpetual warfare among the native people stemmed from an untransferable need to avenge the dead relative. Cannibalism had been primarily understood as means to conclude this revenge, deemed essential, according to the authors, for the structuring and maintenance of their society.

However, upon examining symbolically these behaviors, it becomes apparent that the Tupinambá, while making war, capturing and sacrificing the prisoners to be eaten ritualistically during their feasts, were really concerned with something of higher value.

This lecture will explore the hypothesis that the Tupinambá’s warlike disposition as well as their cannibalistic behavior were concerned with the quest to construct of the Eternal Body.

Inácio Cunha, in his lecture, will talk about his research on the Tupinambá, an Amerindian Brazilian tribe. Through the lens of Jungian Psychology this instigating archaic culture will be explored in its symbolic appeal.

Date: Saturday, 7th September 2024
Beginning: 5:30 pm

Entrance: CHF 30, students CHF 20;
free for members

     
    

Die Vorlesung beleuchtet Jungs akademische Laufbahn vom Privatdozenten an der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich (1904-13) bis zum Dozenten für «Freifächer» und Titularprofessor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH).

Die Laufbahn verlief nicht ohne Widerstände und Schwierigkeiten. Zwar war der Andrang zu seinen Vorlesungen zuerst überwältigend (über 500 Zuhörer), aber die eigentlichen Adressaten, die jungen ETH-Studenten, zeigten sich enttäuscht und blieben zunehmend fern. Die «Gasthörer», interessierte Bürger, sowie seine Analysanden und Anhänger und bildeten die grösste Gruppe der Hörer; auch einige ETH-Professoren gehörten dazu: Prof. Böhler (Wirtschaftswissenschaft), Wolfgang Pauli (Physik) und Karl Schmid (Literaturwissenschaftler, Rektor).

Die Ernennung zum Professor erhöhte seinen Rang in der internationalen akademischen Welt und führte unmittelbar zu Einladungen in die USA (Harvard University, Yale University) – wo er allerdings nicht von Anfang an grossen Erfolg hatte – und nach Indien (Allahabad und Benares). 

Ein zentrales Thema meiner Forschung betrifft die Frage, wie aus einer bis fünf stenographischen Mitschriften von Hörern ein Text erstellt werden kann; nach Vorarbeiten von Ulrich Hoerni, der schon früh die vorhandenen, von der ETH transkribierten Mitschriften geordnet und gesammelt hatte, konnten weitere Stenogramm-Mitschriften aufgefunden und transkribiert werden, so dass der Textkorpus vollständig ist, wenn auch in unterschiedlicher Qualität. Es stellt sich aber die Frage, wie mit unterschiedlichen Lesarten der Mitschreiber, mit Hörfehlern, Wiederholungen, Auslassungen und Hinzufügungen in den 184 Vorlesungsmitschriften umzugehen sei. Die bisherigen Editoren (der englischen Ausgaben) entschieden sich für eine «readable version», die alle «Fehler» tilgt. Sie negiert die Ergebnisse der philologischen Spezialdisziplin, der «Textkritik», die seit anfangs des 20. Jahrhunderts allseits etablierte Regeln aufgestellt hat und somit Willkür ausschliesst. «Fehler» bei den Mitschreibern deuten in vielen Fällen (wie beim Assoziationsexperiment) auf «persönliche oder kollektive Komplexe» hin.

Die spontanen Äusserungen Jungs und seine Antworten auf Fragen von Hörern in den Vorlesungen bieten die einzigartige Möglichkeit, nachzuverfolgen, wie Jung mit den sich zuspitzenden Herausforderungen in seinem politischen und gesellschaftlichen Umfeld umgegangen ist. Dabei erkennt man einen authentischen, menschlichen, lebendigen Jung, der sich intensiv mit Problemen auseinandersetzt, die auch heute noch aktuell sind. Das Verständnis für seine Erkenntnisse wird dadurch nicht geschmälert, sondern eher aktualisiert und intensiviert. 

Datum: 21. September 2024
Beginn: 17.30 Uhr

Eintritt: Fr. 30, Studenten Fr. 20
für Mitglieder und stat. Gäste frei 

     
    

Symmetrie ist ein facettenreicher Begriff mit einer spannenden Geschichte. In der Antike bedeutete «Symmetria» die wechselseitige Entsprechung der Teile eines Ganzen zueinander, auch das Ebenmass oder Mittelmass. In diesem Sinn kann Symmetrie als Harmonie von Proportionen aufgefasst werden.

Dieser Symmetriebegriff wurde in der Renaissance wieder aufgenommen. Zu erwähnen sind Leonardo da Vinci, Michelangelo Buonarotti, Albrecht Dürer und der Architekt Andrea Palladio. Eine erste architektonische Vertiefung führt uns zu Palladios Villen im Veneto.

Vom Mittelmass gelangt man zum Gleichgewicht und zur Balkenwaage als dessen Masswerkzeug. Sie veranschaulicht den präzisen Begriff der bilateralen Symmetrie. In alltäglichen Zusammenhängen meint Symmetrie fast immer bilaterale Symmetrie.

Die Weiterentwicklung und Präzisierung des Begriffs erfolgte im Rahmen von Mathematik und Naturwissenschaften: Eine geometrische Figur ist symmetrisch, falls sie invariant ist gegenüber einer Spiegelung, einer Drehung, einer Parallelverschiebung usw. Das heisst, falls die betreffende Abbildung die Figur mit sich selbst zur Deckung bringt. Die Vielfalt der ebenen symmetrischen Figuren wird eingeteilt in Rosetten, Bandornamente und Flächenornamente.

Die Symmetrien einer geometrischen Figur können miteinander verknüpft werden. Dies führt uns zum Begriff der Symmetriegruppe. Dieser Begriff hilft uns, die symmetrischen Figuren zu klassifizieren. Dies bringt Ordnung und Abgrenzung in die unermessliche Vielfalt der symmetrischen Figuren. Verknüpfungstafeln von Symmetriegruppen sind Lateinische Quadrate. Dies bedeutet, dass jede Symmetrie in jeder Zeile und jeder Spalte der Tafel genau einmal vorkommt. 

Anschliessend lassen wir uns auf ein Experiment ein: Wir geben jeder Symmetrie eine Farbe und färben damit die Verknüpfungstafel ein. Dies erinnert an die Bilder der Zürcher Konkreten Max Bill, Richard Paul Lohse, Camille Graeser und Verena Löwensberg. Diese Künstler gehörten zur Avantgarde der 1930er Jahre, genauso wie der Architekt Le Corbusier, der mit seinem Esprit Nouveau Wesentliches zur Architektur des 20. Jahrhunderts beigetragen hat. Von Letzterem interessiert uns sein Modulor, eine am Mass des Menschen orientierte mathematische Ordnung, ein Masswerkzeug, welches auf dem Goldenen Schnitt beruht. Hier schliesst sich der Kreis: Wir kommen zurück zur Symmetrie als Harmonie von Proportionen.

Der Referent ist gespannt, welche Bezüge zu C.G. Jung die Zuhörer in der anschliessenden Diskussion finden werden.

Datum: Samstag, 5. Oktober 2024 
Beginn: 17.30 Uhr

Eintritt: Fr. 30, Studenten Fr. 20;
für Mitglieder und stat. Gäste frei

     


The Path, ca 1935, Audain Art Museum Whistler, B.C. (Photo: J. Schlatter)  


Strangled by Growth, 1931, Public Domain, www.wikiart.org

  

Als fünfte Tochter eines frommen Ehepaars aus England wurde Emily Carr 1871 in Victoria an der Südspitze der Vancouver Island geboren. In ihrer Kindheit war sie lieber in der Natur als in einer Kirche, doch sie wurde eine gläubige Christin, allerdings nach ihrer eigenen Art. Sie besuchte fast alle Kirchen, die sie konnte, und später interessierte sie sich auch für Theosophie. Auf ihren ausführlichen Reisen an der Westküste Kanadas und dank ihrer tiefen Freundschaft mit einer Künstlerin der «Coast Salish Nation» lernte sie auch den Glauben verschiedener Ureinwohnern Kanadas, der «First Nations Peoples», und deren Symbole kennen. 

In späteren Jahren gelang es ihr tatsächlich, dem alchemistischen Prozess ähnlich, den Geist und die Seele der wilden Westküste in ihren Kunstgemälden zu vereinen.

Datum: Samstag, 19. Oktober 2024
Beginn: 17.30 Uhr

Eintritt: Fr. 30; Studenten Fr. 20;
für Mitglieder und stat. Gäste frei

     
 

Wasyl Symonenko (*1935) gehörte zur ukrainischen Widerstandsbewegung der sechziger Jahre, die sich gegen die sowjetische Gewaltherrschaft zu wehren begann. Als Dichter genoss er weitverbreitete Anerkennung und übte starken Einfluss auf seine Generation aus. 1963 wurde er von Agenten des sowjetischen Geheimdienstes zu Tode geprügelt.

  

Yulia Lymar war Dozentin an der Pädagogischen Fakultät der Universität von Tschernihiv (Ukraine), bevor sie im Jahr 2022 in die Schweiz kam. Sie wohnt heute mit ihrem elfjährigen Sohn in Langenbruck (BL), arbeitet in einem lokalen Hotel und investiert viel Energie in die Aneignung der deutschen Sprache.

Ruedi Högger ist analytischer Psychologe und engagiert sich im Rahmen des Vereins MITEINANDER LANGENBRUCK für die Integration der Flüchtlinge, die dem Dorf durch den Kanton zugewiesen werden.

In der hier angekündigten Veranstaltung möchten wir in erster Linie Wasyl Symonenko selber zu Wort kommen lassen. Wir lesen seine Gedichte und Kurzgeschichten in ukrainischer und deutscher Sprache. Die Texte werden in ihren historischen Zusammenhang gestellt und illustriert. Tiefenpsychologische Überlegungen sollen helfen, Symonenkos Motive – zum Beispiel das Motiv der «heiligen Hochzeit» – in unserer eigenen heutigen Wirklichkeit zu verstehen. Wir hoffen auf ein lebendiges Gespräch im grossen Kreis.

Datum: Samstag, 9. November 2024
Beginn: 17.30 Uhr

Eintritt: Fr. 30; Studenten Fr. 20
für Mitglieder und stat. Gäste frei

     


Merlin und die Prophezeiung der sich bekämpfenden Drachen (gallica.bnf.fr)

 
  

In meinem Vortrag gehe ich von den drei Erzählungen von Robert de Boron aus, der im 12. oder Anfang 13. Jahrhundert gelebt hat. In seiner ersten Erzählung, dem Roman de l’estoire dou Graal ist nicht der Held – wie bei Chrétien de Troyes oder bei Wolfram von Eschenbach – im Vordergrund, sondern der Gral selbst. Der Erzähler stellt dabei einen Zusammenhang her zwischen dem Wirken der Trinität und den drei Gralshütern (Joseph von Arimathia, Brons, Perceval). C.G. Jung deutet die Trinität u.a. als einen säkularen Bewusstwerdungsprozess, wobei die Kräfte dieses Prozesses unpersönlichen kollektiven seelischen Zuständen entstammen. C.G. Jung schreibt: «Von jeher hat der Mensch die Äusserung einer von ihm nicht gewollten und veranlassten Seelentätigkeit als dämonisch, göttlich oder als «heilig», heilend und ganzmachend empfunden.» 

Im zweiten Roman, in dem Robert de Boron das Leben und Wirken Merlins beschreibt, ist die Geburt Merlins vom Teufel initiiert, wobei sich die Teufelskraft im Nachhinein als eine Kraft herausstellt, die etwas Böses bezweckt, die sich jedoch zum Guten wendet, weil es – so der Dichter – eben doch Gottes Wille war, dass der Mensch einen Teil der dämonischen Kräfte besitze: Im Roman ist es die Macht «zu wissen alles Vergangene, alle Dinge, die geschehen sind, die gesagt und getan wurden». Da Merlin von einer Jungfrau geboren wird, erhält er von ihr zudem die Fähigkeit, die Dinge der Zukunft zu wissen. Merlin wird Ratgeber von Uter und Pendragon, Söhne eines Königs, die als Kinder unrechtmässig aus ihrem Land vertrieben worden sind. Sie lernen Merlin auch als mehrgesichtiges und Schabernack treibendes Wesen kennen, das seine eigenen Gesetze hat, die es zu respektieren gilt. Durch Merlin wird ausserdem die geheimnisvolle Zeugung von König Artus bewirkt.

In Robert de Borons drittem Roman Perceval, der in vielen Teilen mit demjenigen von Chrétien de Troyes übereinstimmt, ihm aber nicht mit Sicherheit zugeordnet werden kann, geht es um Ansätze der Integration des Schattens und um Individuation. Perceval wird Gralshüter, aber die Tafelrunde löst sich am Schluss auf, weil – wie wir heute sagen würden – die Gegensätze nicht als innerseelisch erkannt worden sind. Artus selber spielt zusammen mit seiner Frau Guinevere eigentlich eine gemeinschaftsbildende Rolle, denn an ihrem Hof werden siegreiche und besiegte Ritter mit den Damen und Jungfrauen aufgenommen.

Im Vortrag hoffe ich, Ihnen den Geist dieser Geschichten nahe zu bringen, die auf einfache, fast naive Art erzählt werden und gleichzeitig eine Tiefe besitzen und unkonventionelle Ideen enthalten, welche nicht zuletzt die Gegensatzproblematik und die Bedeutung des Grals betreffen. 

Datum: Samstag, 23. November 2024
Beginn: 17.30 Uhr

Eintritt: Fr. 30; Studenten Fr. 20;
für Mitglieder und stat. Gäste frei

     
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